Das Playoff-Fieber brennt

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Außenstehende werden es kaum beziehungsweise gar nicht

nachvollziehen können, diese wachsende Spannung und Nervosität, die

sich bei Spielern, Trainern, Managern, Clubmitarbeitern, aber ich denke

am größten bei den Fans aufbaut, wenn man nach gespielter Vorrunde

um den richtigen Meisterschaftstitel spielt.

In den Playoff-Serien, wo man bis zu 7 Mal hintereinander gegen

denselben Gegner spielt und sich die Spannung aufbaut, wie bei einem

Erdbeben oder Vulkanausbruch.

Spiel 1 und 2 sind da noch die Harmlosesten, da diese fast noch als

normale Ligaspiele durchgehen. Ab Spiel 3 wird das Verhältnis zur

Normalität dann langsam außer Kraft gesetzt. Der Spieler weiß ganz

genau, wer ihm vor zwei Tagen was auf die Mütze gehauen hat und er

will es natürlich Retour geben. Der Fan weiß ganz genau, womit ihm der

gegnerische Fan vor zwei Tagen beleidigt hat und natürlich auch die vier

blinden Streifenhörnchen auf dem Eis, auch Schiedsrichter genannt,

sollten ab Spiel 3 wissen, welche Spieler sich in der Serie besonders

mögen und versuchen, sich gegenseitig zum Zahnarzt zu schicken oder

dem Gegenspieler den Schläger in den Popo zu stecken.

Ab Spiel 4 gibt es dann gar keine Geheimnisse mehr. Wir reden hier

auch über einen 2 Tages-Spielrhythmus, sodass viele Spieler das

Gesicht und den Laufrhythmus von dem Gegenspieler besser kennen,

wie von der eigenen Ehefrau. Ab diesem Spiel regiert bei Spielern und

Fans nur noch der Wunsch, die Serie so schnell wie möglich hinter sich

zu bringen, aber man darf ja nicht ausscheiden.

Dieses ist dann der Bereich, wo selbst der coolste Fan zum nervlichen

Wrack mutiert und man die Stunden zählt, bis zum nächsten

Aufeinandertreffen. Es ist diese unangenehme Spannung, dass es ab

Spiel 4 möglicherweise kein Morgen mehr gibt, an dem man etwas

gerade rücken könnte. Bei vier Niederlagen fängt der nächste Morgen

nicht in Schlittschuhen an, sondern in Badelatschen und das hat

angeblich kein Eishockeyspieler gerne.

Aber auch für die Fans beginnt ab Spiel 4 die Zeit der Leiden. Spielt man

in zwei Tagen noch? Gibt es noch ein nächstes Heimspiel? Wo

bekomme ich Karten her? Gibt es noch Plätze im Bus zur Auswärtsfahrt?

Wie teuer werden die Playoffs noch? Kann ich mir das nächste Spiel

überhaupt leisten? Hau ich dem blöden Fan vom Gästeteam beim

nächsten Mal was aufs Maul? Ist die nette Kleine aus dem

Gästefanblock nächstes Mal wieder dabei? Und die wichtigste Frage

überhaupt: Wird das Spiel für alle Daheimgebliebenen im Fernsehen

übertragen?

Spiel 5 und 6 laufen fast genauso, aber Spiel 7 wird da unerträglich, weil

es dann wirklich nur noch heißt: ,,Siegen oder Fliegen!“

Im 7.Spiel muss einer gehen, aber die Unterschiede liegen dann meist

nur noch in der Tatsache begründet, wer macht wann auf dem Eis den

entscheidenden Fehler? Tagesform etc. spielt gar keine Rolle mehr. Als

Fan schießt und hält man jeden Puck mit, man ist in jeder Prügelei dabei

und die Schiedsrichter werden auch 30 Mal pro Spiel gelyncht, weil sie,

wie man persönlich meint, wieder die größten Pfeifen unter der Sonne

sind.

Egal wo die Fans sitzen, ob im Stadion oder vor dem Fernseher oder in

der Sportsbar, jeder kaut sich irgendwo die Fingernägel ab, schreit rum,

oder rastet aus. Leute, die mit der Sportart nichts zu tun haben, wollen

einen am liebsten in die Klapsmühle stecken, weil sie es einfach nicht

verstehen können, wie man nur vom Zugucken einen Ruhepuls von 280

haben kann. Irgendwo haben diese Leute sogar Recht, aber sie haben

halt nicht diese Leidenschaft für Eishockey. So werde ich nie verstehen,

wie man anfangen kann zu kreischen, nur wenn irgendwo eine Boy Band

auftritt oder, wie sich Leute die Pulsadern aufschneiden können, wenn

irgendeine Band sich auflöst.

Wenn der Sieg und das Weiterkommen in die nächste Runde oder sogar

der Finalsieg gesichert wurde, dann gibt es für Fans und Spieler

irgendwie kein Halten mehr. Es ist die Gewissheit da, dass man den

Gegner nicht nur einmal mit Glück bezwungen hat, sondern dass man

vier Mal gewinnen musste, um die Serie für sich zu entscheiden und da

spielt Glück und Pech nur noch eine eher untergeordnete Rolle. Die

Fans rennen nach der Schlusssirene direkt zum Bierstand, entweder fürs

Feiern, oder auf der anderen Seite zum Frustsaufen und dann ist wieder

das da, was man am Eishockeysport so liebt. Man schiebt sich über 7

Spiele Gehässigkeiten hin und her, aber nachdem die Entscheidung

gefallen ist, geben sich auf dem Eis Spieler und Trainer die Hand, und

auf der Fantribüne gehen die Fans meistenteils zusammen einen trinken

und man freut sich auf die Playoffs im nächsten Jahr und das heißt dann

wieder für alle, entweder Baldrian für alle oder Nervenzusammenbruch

und Adrenalinkick pur…