Rolliman meets „The Baseballs“

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Oder:  ….. wie die „Live Music Hall“ in Köln zum Wallfahrtsort mutierte

 

baseballs_webseite_screenshotEs dürfte bekannt sein, dass ich ein recht merkwürdiger Vogel bin. Das trifft mit Sicherheit auch auf meinen Musikgeschmack zu. Mit der Kombination Western, Country, Rhyth’m and Blues, Rock’n’Roll und Rockabilly stehe ich in Deutschland sicher nicht ganz oben auf der Fanliste. Aber was soll‘s, erlaubt ist was Spaß macht. So war ich dann auch höchst erfreut, als mich ein Kumpel anschrieb ob ich mit ihm zu einem Konzert der Baseballs gehen würde, oder in meinem Fall besser gesagt fahren würde. So viel Zeit muss sein.

Ich gab meinem Kumpel erst gar keine Antwort und besorgte direkt die Rollstuhlkarten für die Live Music Hall in Köln. Das sollte Antwort genug sein. Am Montag, den 10.10.16 war es endlich soweit.

Über das Konzert selber gibt es nicht viel zu sagen außer, dass es wieder eine absolut geile und hochwertige Performance der drei Jungs war. Und ich muss sagen, es hat schon was, wenn ein Gitarrist auf dem Rücken liegt, während dem Gitarren-Solo über die Bühne rutscht… 😉

Man muss sich manchmal echt wundern, was Vollblutmusiker aus schon bekannten Musikstücken dann ihre speziellen Coverversion formen.

Jetzt ist der Musikstil der Baseballs mit Rock’n’Roll der 50er Jahre manchmal nur recht schwer mit Titeln der Neuzeit in Einklang zu bringen. Aber die Jungs schaffen das irgendwie spielerisch perfekt. Es stört auch gar nicht, dass das Konzert an einem Montagabend war, denn die gute Laune Mucke war für alle Anwesenden ansteckend.

Nach ca. zwei Stunden und zwanzig Minuten Nonstop auf der Bühne war auch die geilste Liveperformance mal beendet und das überraschend junge Publikum ging zufrieden nach Hause. Soweit es mich betraf, so war ich auch vollkommen zufrieden, wenn man nur den Konzertteil anvisiert, aber ein Haar in der Suppe fand ich dann doch wieder mal….

 

Im Grunde genommen ist die Live Music Hall für Rollstuhlfahrer wie mich einfach perfekt: Ebenerdiger Eingang, in der Halle keine Stufen und auch zur Toilette gab’s keine Stufen. Laut Aussage der Security sollte es sogar ein Dixi-Klo für Rollstuhlfahrer geben, welches ich aber nicht in Anspruch nehmen musste.

Das einzige, was störte, war der Platz ganz links außen direkt vor der Bühne.

Man konnte auch sagen: „Wir stellen die Krüppel mal schön auf Seite, wo sie weder räumlich noch visuell stören!“ Auch die Begleiter sollten danach hinter die Absperrung, was aber für so manchen Rollstuhlfahrer eher suboptimal ist, denn wenn er Hilfe braucht, steht der Begleiter fünf Meter weiter und durch die laute Musik hörte er ja auch nicht unbedingt, wenn der Behinderte ruft.

Der steife und schiefe Hals war also im Eintrittspreis mit drin. Das war ein bisschen schade, da eigentlich Platz genug gewesen wäre für eine gesonderte Rollstuhlrampe mit Standpodest. (Das E-Werk in Köln ist dafür zum Beispiel exemplarisch zu nennen.)

Es gibt immer Gründe dafür und dagegen und jeder hat auf seine Weise irgendwo Recht. Natürlich kann der Hallenbetreiber sagen: „Für die drei Rollstuhlfahrer beim Konzert lohnt sich keine Rollstuhlrampe!“

Darauf könnte ich antworten: „Die drei Rollstuhlfahrer kommen ja nicht alleine, sondern haben jeder noch mindestens eine Begleitperson dabei. Es stehen also auf einmal sechs Kartenverkäufe zur Disposition.“ Das mag vielleicht noch immer nicht viel sein, aber da die Behinderten untereinander immer den Austausch betreiben in welche Location man mit dem Rollstuhl rein kommt und in welche nicht, wird es vielleicht langfristig ein Unterschied, wenn ich anderen Behinderten auf die Frage antworten muss, ob sie in die Live Music Hall kommen: „Du kommst zwar rein, aber du siehst nix!“

Das wird mit Sicherheit einige Rollstuhlfahrer plus Begleiter über ihren Besuch in der Live Music Hall nochmal nachdenken lassen.

Sicher kann der Betreiber auch sagen: „Ich kann hier aus sicherheitstechnischen Gründen keine Rampe reinbauen.“ Auch mit dieser Aussage wird er Recht haben, wobei ich als Betroffener sage aber: „Wenn ich direkt vor der Bühne stehe und habe sechs- bis siebenhundert Leute im Kreuz, die im Brandfall auch erstmal raus müssen, dann bin ich eh schon ein Grillhähnchen auf Rädern, eh ich erstmal Platz habe um rauszukommen….“ Also da sollte man die Argumentation vom Hallenbetreiber doch nochmal überdenken.

Auch der Kostenfaktor zum Einbau einer Rampe spielt in meinen Augen weniger eine Rolle. Wenn man es geschickt anstellt, gibt es dafür sogar noch Fördergelder vom Staat.

Oder die beste Begründung für den Einbau einer Rollstuhlrampe klingt in meinen Ohren so: „Das ist ganz einfach Service…!“

 

Eine Besonderheit gab’s noch am Rande des Konzertes:

Auf eine ältere Dame im Rollstuhl hatte die Musik der Baseballs wohl heilende Wirkung: Sie kam mit Rollstuhl in die Halle gefahren, rockte dann zwei Stunden ohne Rollstuhl durch die Halle und fuhr mit Rollstuhl wieder nach Hause…

Vielleicht kann der Betreiber der Live Music Hall dieses „Wunder“ beim Erzbistum Köln anmelden und wer weiß, vielleicht wird die Live Music Hall danach noch zum religiösen Wallfahrtsort….

 

LiveMusicHall
Lichtstr. 30
50825 Köln (Ehrenfeld)