Behindertenverhöhnung in Werkstätten – Was soll daran überraschend sein?

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Behindertenverhöhnung in Werkstätten – Was soll daran überraschend sein?

 

Am 20.02.2017 hat der Journalist Günter Wallraff in einer Undercover-Reportage mit versteckter Kamera gezeigt, wie die behinderten Arbeitnehmer in den Behindertenwerkstätten von Betreuern und Arbeitshilfen drangsaliert werden.

Schon während der Reportage haben sich die sozialen Medien wie Facebook, Twitter förmlich in Kommentaren zur Sendung überschlagen. Am nächsten Morgen wollten die empörten Kommentare in der deutschen Presse einfach nicht abreißen.

Aber was ist eigentlich großartig Neues passiert? Ich würde sagen: NIX!!!

Wieso sollte es in Behindertenwerkstätten großartig anders zugehen, wie in Alten- oder Betreuungsheimen? Gewalt gegen alte Menschen in Altenheimen soll zwar geächtet werden und ist auch aus meiner Sicht nicht zu tolerieren. Jedoch vergeht fast kein Monat, wo nicht irgendwo in den Medien eine Meldung auftaucht, wo von Gewalt von Pflegern und Betreuern in Altenheimen die Rede ist.

In beiden Fällen, sowohl Behindertenwerkstatt als auch Altenheim geht es ausschließlich um die „Ware Mensch“. Der  zu betreuende Mensch ist das, was der Organisation, welche die Behindertenwerkstatt oder das Altenheim führt, das Geld einbringt. Wenn man jetzt wirklich mehr Pflege und Betreuungspersonal einstellen würde, hätte die Einrichtung mehr Unkosten und mehr Unkosten heißt am Ende des Monats weniger Gewinn. Um nichts anderes geht es.

Da Deutschland aber weltweit Führender in der Kategorie „Scheinheiligkeit“ ist, will das natürlich in der Öffentlichkeit niemand wahrhaben oder bestätigen. Es ist ja leichter, sich nach so einer Reportage aufzuregen und nach Konsequenzen zu rufen, als wirklich an dem menschenverachtenden Betreuungssystem in Deutschland zu arbeiten.

Es war in dem Bericht über mehrere Werkstätten der Lebenshilfe die Rede. Wenn man sich jetzt mal genauer anguckt, wer im Vorstand der Lebenshilfe sitzt (unter anderem die ehemalige Gesundheitsministerin der Bundesrepublik Deutschland unter Kanzler Gerhard Schröder Frau Ulla Schmidt von der SPD), so wird sehr schnell klar, dass auch in diesem Bereich der Lobbyismus zwischen Politik und Wirtschaft eng verzahnt ist. Was wird sich daher an der Situation ändern? Richtig: NIX!

Jetzt darf man auch in dem Zusammenhang das Vorgehen des Journalisten Günter Wallraff und des Krawallsenders RTL mal kräftig hinterfragen. Wenn ich undercover eine Reporterin als Praktikantin irgendwo einschleuse, dann dauert das ja Monate. Außerdem muss diese Praktikantin ja dann auch erstmal rausfinden ob es Missstände in dieser Einrichtung gibt, die sie überhaupt mit versteckter Kamera aufnehmen kann. Dann nach den Aufnahmen die ganze Sichtung des Materials, der Zusammenschnitt der Reportage und die dazugehörigen Fachbeiträge von Psychologen etc. hat ja mindestens auch nochmal 6 Monate in Anspruch genommen. Wenn also das Reporterteam in einer Behindertenwerkstatt Menschenrechtsverletzungen ankreidet, wieso haben sie diese dann nicht sofort der Staatsanwaltschaft, Polizei oder sonstigen Organisationen gemeldet? In diesem Fall war es dem Sender wichtiger, mit großen Einschaltquoten die Bombe platzen zu lassen, als den Betroffenen in der Werkstatt wirklich zu helfen. Und ob dieser Zug so lobenswert ist, stelle ich hiermit ganz deutlich in Frage.

Jetzt muss man sich überhaupt mal fragen, was sich nach den bisherigen Reportagen von „Günter Wallraff – Undercover-Team“ geändert hat. Da waren die groß angeprangerten Verletzungen der Hygienevorschriften in Fastfood-Restaurants. Da gab es auch hinterher einen riesen Zinober drum. Es wurden Pachtverträge gekündigt und hinterher klammheimlich wieder aufgenommen. Aber großartig geändert hat sich nix in dem System.

Dann gab es mal eine Reportage über die Ausbeutung von Paketzustellern von privaten Paketdiensten, die am Ende des Monats trotz teilweise 100 Stunden Wochenarbeit nicht mal den Mindestlohn zum Leben hatten. Was hat sich nach der Reportage geändert? Richtig: NIX!

 

Und genau so wird es auch in diesem Fall laufen. Die ganze Welt echauffiert sich, Politiker fordern im Wahljahr 2017 Konsequenzen aus dem Skandal, andere Medien hängen sich mediengeil an das Thema dran und was passiert am Ende? Richtig: NIX!

 

Der einzige, der in dem Punkt der Gekniffene ist, ist der arbeitende Behinderte in der Werkstatt! Mit ihm und seiner Geschichte wird massenhaft Geld verdient und er sieht davon keinen Cent, obwohl er eigentlich der Hauptdarsteller ist.

Den eines sollte man nie vergessen: Ohne die Behinderten, die ja manche Parteien in Deutschland wieder unter Verschluss stecken wollen, würde es dieses milliardenschwere System in Deutschland, wo sehr viele Leute und Institutionen richtig viereckiges Geld mit verdienen, gar nicht geben.

Und hier muss sich jeder Behinderte selber fragen, wenn er dazu die Möglichkeit hat,  ob er sich selber in dieser Opferrolle weiter belassen möchte oder ob es nicht langsam mal Zeit wird, dass sich die Behinderten zu einer politischen Organisation zusammenfinden und die dann auf politischem Wege einen Gegenpol aufbaut. Denn über eines müssen wir nicht reden: Wenn wir Behinderten weiterhin die Nichtbehinderten über unser Schicksal entscheiden lassen, was soll sich dann ändern?

RICHTIG: NIX!!!!!!!!!!!!!